Die Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag angekündigt, gemeinnützigen Journalismus zu ermöglichen. Doch bei der aktuellen Reform der Gemeinnützigkeit stockt es – eine fatale Verzögerung für unsere Demokratie. Gerade jetzt braucht es eine Ergänzung des Angebots für mehr Meinungsvielfalt, ohne staatliche Intervention oder Marktverzerrung.
In den vergangenen Tagen wurde bekannt, dass die ursprünglichen Pläne zur Förderung der Großverlage in dreistelliger Millionenhöhe auf Eis gelegt wurden. Gleichzeitig wird immer lauter eine staatliche Förderung neuer lokaler Medienangebote im ländlichen Raum gefordert.
Das Forum Gemeinnütziger Journalismus ruft vor diesem Hintergrund dazu auf, den Koalitionsvertrag ernst zu nehmen und den gemeinnützigen Journalismus – wie versprochen – rechtssicher zu machen. Denn der gemeinnützige Journalismus ergänzt Angebote dort, wo mit profitorientiertem Journalismus kein Geld mehr verdient werden kann. Bürger:innen können mit ihren Spenden Projekte ermöglichen, die es sonst nicht geben würde. Die Einführung der Gemeinnützigkeit wäre damit - anders als Subventionen - der kleinstmögliche Eingriff in die freie Marktwirtschaft.
Ein verlässlicher Gemeinnützigkeitsstatus würde einen kostengünstigen und Pluralität stärkenden Lösungsweg eröffnen, Medieninitiativen zu stärken. Das ist vor allem für den ländlichen Raum wichtig. In Regionen, in denen der Markt mit seinem Ertragsdruck keine Medienangebote mehr garantieren und der öffentlich-rechtliche Rundfunk keine Landesstudios errichten kann, droht die öffentliche Debatte zu verstummen. Mit allen Konsequenzen für unsere Demokratie.
Wo Lokalmedien schwächeln, leidet das Ehrenamt, blühen Korruption und Misswirtschaft, und das Misstrauen in die Institutionen wächst. Das haben etliche Studien belegt*.
Die Diskussionen der Bundesregierung auf Ebene der Staatssekretäre mit Beteiligung aus den Ministerien für Finanzen, Wirtschaft und des Innern über eine Reform der Gemeinnützigkeit haben bislang kein Ergebnis gebracht.
Während sich Vertreter der Gewerkschaften, der Universitäten, von Stiftungen und vieler bereits bestehender journalistischer Non-Profit-Projekte klar für die Gemeinnützigkeit als Innovationsmotor ausgesprochen haben – etwa in der neuen Studie zum Non-Profit-Journalismus von Stephan Weichert und Leif Kramp für die Otto-Brenner-Stiftung – protestieren vor allem Vertreter der großen Verlage in Deutschland gegen die Neuerung.
Dabei können die Argumente der Großverlage gegen die Gemeinnützigkeit des Journalismus nicht überzeugen.
Berücksichtigt die Bundesregierung den gemeinnützigen Journalismus nicht, werden SPD, Grüne und FDP unmittelbar vor dem Superwahljahr 2024 einen neuen Konflikt aufreißen. Denn das Sterben der Lokal-Medien ist mitursächlich für die Krise der Demokratie, gerade im ländlichen Raum. Es würde ein neuer Keil zwischen die privilegierten Zentren und die vernachlässigten ländlichen Räume getrieben, in denen kein Ersatz für wegbrechende Medien geschaffen werden kann.
Diesen Konflikt werden Demokratiefeinde zu nutzen wissen. Der gemeinnützige Journalismus bekennt sich zu den höchsten Standards der Berichterstattung, die im Siegel gemeinnütziger Journalismus garantiert werden und wirkt so demokratiefeindlichen Dynamiken effektiv entgegen.
Der gemeinnützige Journalismus unterscheidet sich grundsätzlich von Subventionen wie der Zustellförderung. Denn die Bürger:innen entscheiden selbst mit ihren Spenden, was existieren kann und was nicht. Der gemeinnützige Journalismus muss sich diesem Marktmechanismus von Angebot und Nachfrage stellen, um bestehen zu können. Er ist damit der kleinstmögliche Eingriff in einen nicht mehr funktionierenden Markt.
Dabei stützt sich der gemeinnützige Journalismus auf ein sehr erprobtes Rechtssystem. Das Gemeinnützigkeitsrecht definiert für Krankenhäuser schon lange, wie profitorientierte und gemeinnützige Hospitäler nebeneinander existieren und sich ergänzen können. Das gleiche gilt für Wohlfahrtsbetriebe und Sportvereine. Bürger:innen ermöglichen mit ihren Spenden Projekte, die es sonst nicht geben würde. Die Einführung der Gemeinnützigkeit wäre weder Subvention noch ein Eingriff in die freie Marktwirtschaft.
Die Staatssekretäre, die zur Reform des Gemeinnützigkeitsrechts tagen, müssen den Koalitionsvertrag ernst nehmen und endlich Rechtssicherheit für den gemeinnützigen Journalismus schaffen.
Unterzeichner:
*Bürgerschaftliche Engagement geht zurück, wenn keiner mehr über das Ehrenamt berichtet, heißt es beispielsweise in einer Studie von Danny Hayes und Jennifer Lawless. Die lokale Korruption nimmt zu, wenn keiner mehr Fehlverhalten enthüllt, schreibt beispielsweise ein Team um Pengjie Gao und Dermot Murphy (- The Decline of Local News and Its Effects; Danny Hayes, Jennifer L. Lawless; 2018/ - Financing Diesin Darkness; Pengjie Gao, Chang Lee, Dermot Murphy; 2018)